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„Wir gingen starken Schrittes unserem Verderben entgegen , wenn wir nochmals mit der Bahn umgangen würden – und, um dieses größte aller Übel von uns abzuwenden, haben nicht nur alle Gemeinden des Hellwegs, soweit uns bekannt geworden, den Grund zum Bahn-Körper gratis offeriert, sondern sogar die arbeitenden Klassen haben mit uns überall mehrere Tage umsonst ihre Dienstleistungen als Handwerker oder Tagelöhner zur Verfügung gestellt.“

Von solcher Opferbereitschaft der Gemeinden und von so viel Edelmut der arbeitenden Bevölkerung hat sich Preußens König schließlich doch bewegen lassen. Mit seinem Erlass vom 3. Juni 1852 wurde endlich der Bau der Eisenbahn von Dortmund über Hörde, Unna und Werl nach Soest genehmigt.(Quelle 1)

Ob auch Bürger von Westönnen die Petition unterstützten, ist nicht festzustellen. Wahrscheinlich nicht, denn die Werler Interessen waren zu diesem andere als die der Westönnen. Die Werler dachten als Salztransporte. Auch hinsichtlich der Streckenführung waren sie anderer Meinung. Hierüber wird noch berichtet.

Am 10. Juli 1851 wurde zur Zeichnung von Aktien für diese „Dortmund-Soester Eisenbahn“ aufgerufen.

Durch Erlass des Königs vom 3.6.1852 wurde der Bau der Bahn von Dortmund über Hörde - Unna – Werl nach Soest genehmigt. Erneut wurde zur Zeichnung von Aktien aufgerufen. Im weiteren Verlauf der Vorarbeiten und Planungen kam es zwischen Werl und Soest zur Auseinandersetzung über den Streckenverlauf. Werl hatte beim zuständigen Minister beantragt, die Strecke nicht von Werl nach Soest zu bauen, sondern von Werl über Süddinker nach Welver mit Anbindung an die Strecke Hamm (W) – Welver – Soest. Der Soester Magistrat nahm hierzu Stellung und setzte die Streckenführung Werl-Westönnen-Ostönnenerlinde- Soest durch.

Am 5. Jan. 1853 wurde die Direktion der Westfälischen Eisenbahn in Paderborn vom Minister für Handel, Gewerbe und öffentlichen Arbeiten mit der Ermittlung und Festlegung der endgültigen Bahnlinie beauftragt.

Im selben Jahr übernahm die Direktion der Bergisch-Märkischen Eisenbahn in Elberfeld die Ausführung des Bahnprojekts.

Es ist davon auszugehen, dass sich spätestens ab 1852 auch die Westönner mit der Bahn –insbesondere mit der Trasse auseinandergesetzt haben. Besonders zu erwähnen ist, dass es letztlich den Soestern zu verdanken ist, dass die Bahn durch Westönnen führt.

Für Westönnen bedeutet die Bahn aber zunächst gewaltige Einschnitte und Eingriffe in die örtlichen Flure und Landschaften. Wege- und Straßenverbindungen – z.B. von Westönnen nach Oberbergstraße – wurden zerschnitten. Einzelheiten ergeben sich aus anl. Kartenausschnitt. Zudem wurden Ackerflächen und Wiesen getrennt.

Am 14. Sept. 1853 beschloss der Gemeinderat von Westönnen, Gemeindegrundstücke an die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft abzutreten.

Gesamtfläche der abzutretenden Gemeindegrundstücke: 6 Morgen, 173 Ar, 25 qm.

Lage: Flur IX Nr. 80, Preis 200 Thaler pro Morgen, für bestimmte Flächen, z.B. Schräglage wurden preisliche Abstriche gemacht.

Neben den Gemeindegrundstücken waren auch zahlreiche Privatgrundstücke betroffen. Z.B Grundstücke von 5 Landwirten, Flur IX Nr. 49.

Auf diesen Grundstücken lag eine Belastung zugunsten der Gemeinde, die durch Beschluss des Gemeinderats gelöscht bzw. ab gelöst wurde (Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 27.12.1853 Nr. 85 und vom 12.5.1854 Nr. 91). Es ist davon auszugehen, dass neben diesen „belasteten Grundstücken noch weitere private Grundstücke für die Eisenbahn zur Verfügung gestellt worden sind.

Am 13.2.1854 teilte Vorsteher Kerkhoff dem Gemeinderat mit, dass nach Anlage der Dortmund-Soester Eisenbahn zu den Grundstücken Flur IX Nr. 80 bei Station 119 bis 122 mit Fuhrwerk nicht mehr hinzukommen sei und ein neuer Fahrweg von Station 113 an angelegt werden müsse. Es wurde beschlossen, die Anlage dieses Weges von der Eisenbahn zu verlangen.

Aus Daten der gefassten Gemeinderatsbeschlüsse zum Bahnbau ist abzuleiten, dass der Bau der Trasse bzw. die Errichtung des Bahndamms nach dem Erlass des Königs zum Bahnbau vom 3. 6. 1852 schnell vorangetrieben worden ist.

Die beim Bahnbau eingesetzten Arbeiter wurden aus anderen Gebieten des Landes angeworben. Der Damm wurde per Schubkarren aufgefüllt. Die Arbeiter erhielten ihren Lohn nach Anzahl der geförderten Schubkarren. Pro Schubkarre soll ein vorher festgelegter Betrag je nach Wegelänge von 0,5 bis 2 Pfennig gezahlt worden sein. Die Arbeitsbedingungen waren hart. Hacke und Schaufel mussten von den Arbeitern gestellt werden. Für das Schmieren der Schubkarren wurden die Schmierölkosten von ihrem Lohn abgezogen.

Durch die dem Erdreich entnommene Erde entstanden an beiden Seiten des Bahndammes Vertiefungen. Der Volksmund nannte diese Schachtlöcher. Sie entwickelten sich in Teilbereichen zu Feuchtgebieten, die dennoch als Weideflächen für Ziegen oder als Heuwiesen genutzt wurden.

Dies sind insbesondere die Bereiche südl. der Bahn am Westönner Bach nördlich des Fußballplatzes sowie Flächen nördlich der und südl. der Bahn von der Breiten Straße bis zum Mühlenbach in Mawicke. Genutzt wurden die Wiesen bis in die 1960 Jahre hinein vornehmlich von Eisenbahnern.

Inzwischen hat sich die Nutzung jedoch geändert. Auf dem ehemaligen Schachtloch zwischen Fußballplatz und Bahn wird nach Anfüllen Tennis gespielt. Am Börn wurden ca. 1960 Anpflanzungen vorgenommen. Zuvor diente die Wiese auch als Bleichwiese der im Börn gewaschenen Wäsche.

Zwischen Westönnen und Mawicke ist nach Anfüllung ein Wäldchen entstanden(ca. 1983).Der Weg durch das Wäldchen wird von Fußgängern und Radfahrern sehr gut angenommen. Dieser Weg wurde nie geplant und doch gebaut. Da vor der Anpflanzung ein Trampelpfad vorhanden war, wurde mit Hilfe der Stadt auf Drängen zahlreicher Bürger unterstützt durch Kommunalpolitiker per Raupe eine Schneise in Wegbreite geschaffen. Jäger und andere Kommunalpolitiker protestierten. Die Presse hatte einige Tage etwas zu schreiben. Die meisten Westönnen und Mawicker freuten sich über den Weg. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Auch Auswärtige freuen sich über den Weg, der inzwischen auch als Fahrradweg Bestandteil der Werler Kleeblatt Radtouren ist.

Vorstehende Ausführungen machen deutlich, wie die Bahn das Landschaftsbild und die Nutzung der Flächen bis heute geändert und geprägt hat.

Nun zur weiteren damaligen Entwicklung.

Am 13. Dezember 1853 teilte Vorsteher Kerkhoff dem Gemeinderat mit, dass die Haltestelle der Dortmund-Soester Eisenbahn bei Station 116 zweckmäßiger angelegt werden könne als bei Station 103 und die Bergisch-Märkische Bahn auch hierzu die Genehmigung erteilen würde. Diese wolle jedoch wissen, ob die von der Gemein für die Haltestelle Station 103 bewilligten 800 Thaler auch für die Haltestelle Station 116 bewilligt würden.

Der Gemeinderat beschloss, daß die 800 Thaler auch für die Haltestelle Station 116 zur Verfügung stehen und die für die Haltestelle Station 113 bewilligt Steine für Station 116 freiwillig dazu gegeben werden (Beschluss siehe Anlage).

Aus dem vorstehenden Beschluss ist zu entnehmen, dass das Thema Haltestelle zwischen Westönnen und Mawicke zuvor eingehend zwischen der Bergisch-Märkischen Bahn und dem Gemeinderat von Westönnen erörtert wurde. Unterlagen hierüber und über einen vorausgegangenen Beschluss sind nicht auffindbar. Festzuhalten bleibt, dass die Westönnen schon damals – wie auch noch heute – bereit waren, für das Gemeinwohl Eigeninitiative zu ergreifen und freiwillige Leistungen zu erbringen. Was hatten unsere Vorfahren für eine fortschrittliche Denkweise.

Die Haltestelle wurde letztlich nicht errichtet. Die Gründe sind nicht bekannt. Bisher waren keine Unterlagen und Aufzeichnungen hierüber auffindbar. Es ist nicht anzunehmen, dass die Mawicker dagegen waren.

Dort, wo es den Westönner verwehrt wurde, 1855 einen Bahnhof zu errichten, ist heute ein erholsamer Weg, der durch ein kleines Wäldchen führt (s. oben).

Durch den Bahnbau, so ist aus mehreren Ausführungen und Berichten über die Bahn zu entnehmen, gab es in den Dörfern entlang der Strecke viele bis dahin nicht gekannte fremde Einflüsse und Begebenheiten, die nicht immer positiv zu bewerten waren.

So wurden u.a. soziale Probleme durch das Auftreten fremder Arbeiter hervorgerufen. Die Kirche beklagte u.a. das leichtfertige Schließen von Ehen zwischen Bahnarbeitern und einheimischen Mädchen sowie den „ schändlichen Umgang vor eine Ehe“. Sonntagsarbeit und eingetretene Unkeuschheit wurden ebenfalls angeprangert. Die Kirche setzte sich dafür ein, daß den Bahnarbeitern wenigstens jeden 3. Sonntag freigegeben werden sollte, damit sie den Sonntagsgottesdienst besuchen konnten. Auch Maßnahmen gegen die Trunksucht wurden ergriffen.

Ob und ggf. in welchem Umfang auch in Westönnen Probleme vorstehender Art entstanden sind, ist im Einzelnen nicht bekannt. Anzunehmen ist jedoch, dass durch die Bahnarbeiter bis dahin fremde Gegebenheit und Einflüsse in den Ort hineingetragen wurden.

Letztlich ist nach Auswertung der vorhandenen Protokolle festzustellen, dass der Bahnbau akzeptiert und konstruktiv begleitet wurde. Durch die Initiative für die Errichtung des Bahnhofs wird deutlich, dass dem Gemeinderat schon frühzeitig erkannte , dass durch die Bahn für Westönnen Vorteile abzuleiten waren.

Leider wurde der Bahnhof im Jahre 1855 – wie angestrebt - nicht gebaut. Erst im Jahre 1899 war es dann soweit. So mussten die Westönner zusehen, wie die ersten Züge ohne Halt durch Westönnen gefahren sind.

Die erste Probefahrt war am 7. 7. 1855. Die erste offizielle Zugfahrt war am 9. 7. 1855. Es war ein Zug von Soest nach Dortmund. Der erste Fahrplan sah 3 Zugpaare am Tag vor (S. Anlage UN).

Die Strecke war eingleisig. Die Signalanlagen waren recht einfach. Es handelte sich um ca. 9 Meter hohe Stangen mit Pfeilen, durch die man die Richtung des Zuges erkennen konnte. Die Sicherung der Bahnübergänge wurde offensichtlich von Beginn an mit großer Sorgfalt umgesetzt.

Aus einem Beitrag der Bundesbahnmitteilungen der Bahnzentrale Frankfurt anlässlich der 100-Jahrfeier im Jahre 1955 ist zu entnehmen, dass anlässlich der Inbetriebnahme der Bahn 1855 für die gesamte Strecke 80 Bahnwärterhäuschen aus Holz, 147 Barrieren (Schranken) , 157 Warntafeln, 57 Gradienten-Anzeiger, 59 Revisions-Kreuze und 100 Bahnwärter Nummerntafeln geliefert und aufgebaut wurden.

Auch in Westönnen waren von Beginn an mindestens 2 Bahnübergänge zu sichern.

Die vorstehend genannten Ausrüstungen und Anschaffungen brachten den heimischen Handwerkern völlig neue Aufträge in einem bis dahin nicht gekannten Umfang. Nach Überlieferungen wurden sehr frühzeitig Westönnen Zimmerleute mit Zimmerarbeiten beauftragt. Außerdem wurden Bahnwärter gesucht. Dies waren neue und interessante Arbeitsplätze für Westönner, die bis dahin abgesehen von einigen Handwerkern fast ausschließlich auf die Landwirtschaft ausgerichtet waren. Die Bahn errichtet sehr bald an den Bahnübergängen eingeschossige Bahnwärterhäuser, zwar einfachster Art aber mit Ställen für Schweine und Ziegen bzw. Kühe.

1892 waren 13 Hausbesitzer in Westönnen Eisenbahner , fast ausschließlich Bahnwärter. Es ist anzunehmen, dass zu diesem Zeitpunkt weitere Westönner, die nicht im Besitz eines Hauses waren, Arbeit bei der Bahn gefunden hatten.

1883waren in Westönnen 2 dieser eingeschossigen Bahnwärterhäuser vorhanden und zwar an der Breiten Straße (heute Haus König) und an dem Weg nach Haus Lohe. 1904 wurde jeweils ein zweites Stockwerk errichtet und darüber hinaus wurden weitere bauliche Maßnahmen vorgenommen.

1866 wurde das 2. Gleis verlegt. Bei der Errichtung des Bahndamms hatte man weitsichtig geplant und bereits eine Trasse mit 2 Gleisen vorgesehen.

1880 übernahm der Staat die Bahn von der Bergisch Märkischen Eisenbahngesellschaft.

1882 wurde der Bahnhof Ostönnen errichtet, 1874 der Bahnhof Hemmerde und ebenfalls 1874 die Haltestelle Lünern.

Obwohl der Gemeinderat von Westönnen bereits 1853 den Bau eines Bahnhofs beschlossen hatte, kamen die vorstehend genannten Orte den Westönnern zuvor.

Damit wollten sich die Westönner nicht abfinden. . Der Gemeindevorsteher Kerkhoff wandte sich Ende des 19. Jahrhunderts mehrfach schriftlich und persönlich an die zuständige Eisenbahndirektion in Elberfeld. Unterstützt wurde er von dem Gutsbesitzer Schulte-Ebel. Durch Berechnungen und Studien konnten sie nachweisen, dass die Rentabilität des Bahnhofs Westönnen gesichert war.

Die Eisenbahndirektion Elberfeld stimmte 1899 der Errichtung eines Bahnhofs zu., jedoch zu folgenden Bedingungen:

Kostenlose Überlassung des Grundstücks, Beteiligung der Gemeinde an den Baukosten.

In Westönnen wurden daraufhin Sammlungen durchgeführt. 70 Personen spendeten 6645,-- Mark. Haussammlungen wurden von den Herrn Kerkhoff, Schulte-Ebel und Fritze durchgeführt. Der Betrag wurde von der Gemeinde auf 6700,-- Mark aufgestockt. Dazu wurden von der Gemeinde 8000,-- Mark bewilligt. Außerdem wurde von der Gemeinde ein Darlehen von 16 700,-- Mark aufgenommen. Die Gemeinde Oberbergstraße trug mit 2000,-- Mark zur Errichtung des Bahnhofs bei, verlangte dafür aber die Anlage eines Fußwegs zum neuen Bahnhof.

Nach einer Ausschreibung erhielt Bauunternehmer Buchgeister mit Maurerarbeiten beauftragt.

Die Zimmerarbeiten führte Fritz Luig – Plattfaut aus Westönnen durch, die Dachdeckerarbeiten der Dachdecker Hüttenbrink aus Werl.

Eingedeckt wurde der Bahnhof aus buntem Moselschiefer. Der erste Spatenstich erfolgte im August 1900 unter dem Bahnmeister Rosenkranz. M Ab Oktober 1901 war der Bahnhof benutzbar.

In einem Erhebungsbogen für Gebäude des Kreises Soest, Katasteramt Werl aus dem Jahre1900 wird der Bahnhof wie folgt beschrieben:

1 Empfangsgebäude mit Güterschuppen (6,10 m x 9,10 m), 2 Stockwerke, Fachwerk, Schieferbekleidung,

Erdgeschoß: ein heizbarer Warteraum, ein heizbares Stationsbüro, ein Flur nicht heizbar, eine nicht heizbarer Güterschuppen ,

Obergeschoß 3 heizbare Zimmer, ein nicht heizbares Zimmer, ein Flur.

Ein Abortgebäude aus Fachwerk und mit einem Dach aus Pappe, 2 Zellen und ein Pissoir.

1903 erfolgte die Errichtung eines Stalles für eine Ziege und einem Schwein. Im Stallgebäude wurde außerdem ein Abort errichtet.

Im Jahre 1907 wurde ein Stellwerksgebäude als Anbau errichtet, aus Fachwerk mit einem Dach aus Pappe. Dies Gebäude ist unterkellert. Zweck des Gebäudes: Schaffung von Räumen zum Stellen von Weichen. Nutzbar war das Gebäude ab 5.9.1907.

Ein für 1908 geplanter Aufenthaltsraum für Bahnarbeiter wurde wegen Geldmangel von der Bahn nicht errichtet.

1913 wurde der Güterschuppen um 5,05 x 6,26 m erweitert. Die Gesamtgröße betrug nunmehr 14,15 m x 6,25. Dazu wurden eine Freiladerampe und eine Viehrampe am 1.4.1913 in Betrieb genommen.

1909 wurde ein Spritzenhaus errichtet. Nutzbar ab 1. 4. 1909. Es handelte sich um einen Geräteschuppen (vermutlich Anbau am Stallgebäude ) mit 2 Räumen für eine Feuerspritze und Löschgerätschaften.

Durch die vorstehenden Ausführungen wird folgendes deutlich:

> die Bahn schaffte durch die Errichtung von Wohngebäude Wohnraum für ihre Mitarbeiter.

> durch die Errichtung von Ziegen-und Schweineställen – selbst für den Vorsteher des Bahnhofs – wurden den Eisenbahner bis nicht gekannte besondere Privilegien eingeräumt.

>Durch die Errichtung der Güterabfertigung wurde dem Güterverkehr von Beginn an eine besondere Bedeutung beigemessen.

1907 wurde auch ein Stellwerk ca. 60 m östliche des Bahnübergangs des Weges von Uffeln nach Haus Lohe errichtet. Dieses Stellwerk hatte ebenfalls einen Raum für „Weichen zu stellen“ und war auch unterkellert, Das Stellwerk des Bahnhofs Westönnen und dieses Stellwerk müssen in einem Zusammenhang gesehen werden. Sie bildeten die Grundlage für die Errichtung eines 3. Gleises für den Güterverkehr, welches bei dem Stellwerk an dem Weg Uffeln – Lohe begann und in Höhe des Bahnhofsgebäudes Westönnen wieder in die 2 Hauptgleiche überführt wurde. An diesem Gleis angeschlossen war ein Ladegleis, welches in die Ladestraße führte. Für Westönnen ein wichtiges Gleis. Hier wurde über Jahrzehnte Waggons zur Entladung und Beladung bereitgestellt.

Dazu wurde ein Gleis an den Güterschuppen zur Ent- und Beladung von Stückgutwaggons herangeführt. Ein weiteres Gleis mit einer Kopframpe diente zur Ent- und Beladung von Geräten und Maschinen, insbesondere für die Landwirtschaft.

Das 3. Gleis konnte aus den Richtungen Soest und Werl befahren werden. Die für den Zugverkehr erforderlichen mechanischen Weichen und Signale wurden von Eisenbahnern auf den genannten Stellwerken bedient. Westönnen war somit in der Eisenbahnrangordnung ein richtiger Bahnhof mit Personenverkehr und Güterverkehr (Stückgut, Expressgut und Wagenladungen) und war damit voll integriert in das deutsche Bahnnetz. Dies gilt auch für Werl, Hemmerde und Ostönnen. Lünern war dagegen wie viele andere Orte auch „nur“ eine Haltestelle für den Personenverkehr ohne Güterverkehr.

Trotz der vielen Vorteile die der Bahnhof für Westönnen brachte stellt sich dennoch die Frage, warum das 3. Gleis, in dem Güterzüge mit einer Länge von 600 Metern ein und ausfahren konnten, gebaut wurde. Für die den Güterverkehr von und nach Westönnen war dies auf keinen Fall erforderlich. Eine Anbindung des Ladegleises an die 2 Hauptgleise wäre technisch möglich gewesen und hätte für Westönnen gereicht.

Nach eingehender Analyse ergibt sich schnell folgende Antwort.

In Soest war 1897 ein Verschiebebahnhof gebaut worden. Der Güterverkehr aus dem Ruhrgebiet nach Soest nahm seit dem ständig zu. Der Verschiebebahnhof musste daher 1912 erweitert werden. Zubringerzüge aus dem Ruhrgebiet transportieren Güter nach Soest, dort wurden die Waggons in Güterzüge Richtung Osten zusammengestellt. In starken Verkehrszeiten wurden täglich 2400 Güterwagen in 40 Güterzügen aus dem Westen (Ruhrgebiet) nach Soest befördert. Viele Züge fuhren auch über die Strecke Unna – Werl – Soest durch Westönnen. Entlastungen für den Bahnhof Soest durch ein „Zwischenparken der Züge „ auf Vorbahnhöfen wie Westönnen war erforderlich. Dadurch ist der Ausbau der Bahnhöfe Hemmerde, Westönnen und Ostönnen mit einem zusätzlichen Gleis von ca. 600 Metern Länge zu erklären. Damit hatte Westönnen auch eine strategische Bedeutung für den Güterverkehr aus dem Ruhrgebiet Richtung Osten. Der Wagenladungsverkehr von und nach Westönnen war demnach nur ein ergänzender Mitnahmeeffekt. Ob Westönnen ohne die genannte strategische Bedeutung das für Westönnen so wichtige und nutzbringende Ladegleis für den Güterverkehr von und nach Westönnen bekommen hätte, ist fraglich.

Im Einzelnen wissen wir nicht, welche Güter in welchen Zügen in Westönnen „zwischengeparkt“ wurden. Dies ist gut so. In den Aufrüstungs- und Kriegsjahren hatte der Rangier- und Verschiebebahnhof Soest eine gr0ße strategische Bedeutung für den Transport von Kriegsmaterial Richtung Osten. Es ist anzunehmen, dass auch Züge mit Kriegsmaterial in Westönnen in einer Warteschleife gestanden haben.

Bei Kriegsende stand ein Zug in Westönnen auf dem Überholungsgleich (3. Gleis). Westönner suchten den Zug auf und fanden Material und Gegenstände, die für deutsche Soldaten an der Front bestimmt waren. Mehrere Familien haben sich zum Beispiel mit einer Menge von Reiserbesen eingedeckt.

Eine traurige Situation, die von dem Sohn eines Eisenbahners, der auf dem Stellwerk in Uffeln-Lohe während des Krieges seinen Dienst verrichtete, überliefert wurde, sollte nicht unerwähnt bleiben. Der Sohn war mit seinem Vater nach dessen Dienstschluss in einer Wiese am Bahndamm zwischen Westönnen und Ostönnen, als sich ein Güterzug näherte. Der Eisenbahner, der offensichtlich die Fahrpläne der verkehrenden Züge kannte, bat seinen Sohn, den Güterzug nicht zu verfolgen bzw. anzuschauen. Zu einem späteren Zeitpunkt brachte der Sohn in Erfahrung, dass in den gedeckten Güterwagen des Zuges Menschen waren.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Überholungsgleis nicht mehr benutzt. Das Stellwerk am Überweg Uffeln -Lohe und das Überholungsgleich wurde in den Jahren 1952/53 abgerissen bzw. zurückgebaut.

Im Bereich des Bahnhofs wurde eine Weichenverbindung für die Bedienung des Ladegleises der Ladestraße belassen.

Ein sonderbares und seltenes Gebäude befand sich nach Überlieferungen zwischen Westönnen und Ostönnen an der Kurve in Mawicke. Hier war auf dem Bahndamm ein Kontrollstand vorhanden der dazu diente, bei extremen Temperaturen, insbesondere bei Hitze, Beobachtern Schutz zu bieten, damit sie den Zustand der Gleise bei Zugfahren beobachten und prüfen konnten.

 

Was beutet die das Leistungsangebot der Bahn für Westönnen ?

Güterverkehr, Wagenladungen (Waggon)

Nach dem vorliegenden Informationen ist davon auszugehen, dass in Zusammenhang mit dem

Überholungsgleis (3. Gütergleis)auch das für Westönnen so wichtige Ladegleis errichtet wurde. Das heißt auch, dass die Ladestraße, die zum Verladen der Güter erforderlich war, gebaut wurde. Die Verkehrsfläche der Ladestraße war gepflastert. Die im Jahre 1913 errichte Kopframpe und die Verladerampe für waren über die Ladestraße erreichbar.

Der Bahnhof Westönnen war mit seiner gesamten Infrastruktur in das Verkehrsnetz der Deutschen Reichsbahn integriert, d.h., von Westönnen konnte man zu jedem Bahnhof reisen und Güter zu jedem Bahnhof zum Versand bringen oder von jedem Bahnhof empfangen.

Nach Überlieferungen kamen in den ersten Jahren vor allem landwirtschaftliche Produkte und Vieh zum Versand. Einen Schwerpunkt bildete der Transport von Zuckerrüben zu den Zuckerfabriken, insbesondere nach Soest.

Waggons mit Kohle aus dem Ruhrgebiet sind ebenfalls nach Überlieferungen von Inbetriebnahme der Ladestraße an regelmäßig in Westönnen angekommen. Auch Waggons mit Vieh sind von 1913 an mit kriegsbedingten Unterbrechungen bis 1965 regelmäßig über die Schiene angekommen

Im Jahre 1937 ließ sich die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft in der Nähe des Bahnhofs nieder. Zum einem späteren Zeitpunkt wurde ein Gleis unmittelbar an das Lager der Bäuerlichen Bezugs- und Absatzgenossenschaft herangeführt. Für den Bezug von Düngemitteln war die Schienenanbindung besonders wichtig, da Produktion, Logistik und das Preissystem der deutschen Düngemittelhersteller lange Zeit auf Schienentransporte ausgerichtet waren. Aber auch andere Produkte (z.B. Kohle, Saatgut, Pflanzkartoffeln) erhielt die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft über die Schiene.

Von 1945 bis ca. Ende 1980 wurden auch über den Landhandel , u. a. Firma Theodor Schulte , landwirtschaftliche Produkte, insbesondere Weißkohl über die Schiene zum Versand gebracht.

Firma Gebr. Mertin, Oberbergstraße, bekam ab ca. 1950 regelmäßig Fahrzeuge und Geräte für die Landwirtschaft über die Schiene, die zum Teil über die Kopframpe entladen wurden. In der Zeit von 1955 bis 1970, aus der ich aus eigener Wahrnehmung berichten kann , wurden auch von anderen Westönner Firmen, z.B. Schulmöbelfabrik Hering , Firma Prinz, Firma Wiemhöfer, Ladungstransporte im Ein- und Ausgang über die Schiene abgewickelt.

Ein besonderer und auch letztmaliger Höhepunkt im Wagenladungsverkehr über die Schiene war 1960 durch die Sauerkrautfabrik Kerkhoff zu verzeichnen. Während in anderen Jahren Weißkohl wegen des reichen Ertrages im Raum Westönnen versandt wurde, musste 1960 Weißkohl an anderen Gebieten den Sauerkrautfabriken zugeführt werden. Wetterbedingt war der Ertrag in der Soester Börde zu gering.

Firma Kerkhoff erhielt innerhalb weniger Wochen ca. 130 Waggon mit Weißkohl aus Schleswig-Holstein (Brunsbüttelkoog, Kronprinzenkoog) und Polen (ehemals Schlesien).

Die Waggons wurden im Bahnhof Werl abgestellt und nach Vorgabe von Firma Kerkhoff zur Entladung nach Westönnen überführt.

Ein besonderes Ereignis für den Bahnhof Westönnen. Als junger Mitarbeiter des Bahnhofs Westönnen durfte ich bei der Abwicklung mitwirken.

Letztlich wird es im Einzelnen nicht messbar sein, aber mit Sicherheit ist davon auszugehen, daß die Ladestraße in Westönnen von 1907 bis ca. 1970 mit den zu – und abgehenden Waggontransporten über die Schiene einen großen Anteil an der Entwicklung Westönnens hat.

Vieles wird für die, die es erfahren und erlebt haben, in Erinnerung bleiben. So zum Beispiel die Waggonentladungen in der Ladestraße. Wenn ein Waggon mit Kohlen – vor allem in der Nachkriegszeit - angekommen war. Sprach sich dies schnell rum. Einer der sich die Versorgung der Westönner mit Kohlen zur Aufgabe gemacht hatte, war der Händler Theodor Schulte. Bei ihm konnte man auch kleine Einheiten bestellen. War der Waggon angekommen, wurden die Kohlen auf der Ladestraße abgewogen. Zahlreiche Westönner holten die Kohlen per Handwaren oder mit Schubkarren ab. Landwirte setzten Pferdefuhrwerke ein. Ähnlich spielte sich das Geschäft auch beim Eingang von Saatkartoffeln ab. Zu dem damaligen Zeitpunkt wäre ein Leben in Westönnen ohne Waggons und Ladestraße undenkbar gewesen.

 

Stückgut, Expressgut, Reisegepäck.

Mit der Errichtung des Bahnhofs und der Güterabfertigung konnten auch Stückguttransporte Express gut Reisgepäck von und nach Westönnen abgewickelt werden. Dies war alle Westönner ein Angebot, welches über 60 Jahre , bis zur Schließung des Bahnhofs im Jahre 1964 genutzt werden konnte. Jeder Westönner konnte zu jedem Bahnhof in Deutschland Stückgut , Expressgut und Reisegepäck zum Versand bringen oder Sendungen empfangen. Ein Güterzug hielt täglich in Westönnen, über eine Rampe erfolgte die Verladung. Ab ca. 1960 wurde Stückgut in Werl entladen und nach Westönne per Waggon überführt. Expressgut – handelte es sich um kleinere Pakete und Sendungen – wurden mit den Personenzügen befördert. Jeder Personenzug hatte einen „Packwagen“ für die Beförderung von Expressgut und Reisegepäck. Expressgut und Reisegepäck wurden daher besonders schnell befördert. Oftmals innerhalb von 2 Tagen. Stückgut dauerte 3 bis 5 Tage. Für die Beförderung von Reisegepäck zu besonders niedrigen Transportpreisen war Fahrausweis erforderlich.

Aus den Jahren 1901 bis 1945 ist kaum bekannt, welche Waren und Produkte als Stück gut und Expressgut transportiert wurden. Anzunehmen ist, dass es sich im Versand um landwirtschaftliche Produkte gehandelt hat. Im Empfang werden es Gebrauchsgüter der damaligen Zeit sowie Werkzeuge und Material für Handwerker gewesen sein. Auch der Transport von lebenden Tieren – insbesondere Federvieh –war damals an der Tagesordnung.

Ein Beweis für einen bereits in den ersten Jahren nach Inbetriebnahme des Bahnhofs florierenden und zunehmenden Stückgutverkehr ist die Erweiterung der Güterabfertigung im Jahre 1913.

Mehr bekannt ist über die Stückguttransporte nach dem 2. Weltkrieg. In den ersten Jahren nach dem Krieg kamen vor allem landwirtschaftliche Produkte, insbesondere an Verwandt und Bekannte in vom Kriege besonders betroffenen Gebieten, zum Versand. Die ältere Generation wird sich sicherlich an die vielen Körbe, zugenäht mit Säcken erinnern, die täglich zur Bahn gebracht wurden. Aus Westönnen wurden dadurch viele Menschen mit Obst und Gemüse versorgt. So wurde u.a. Weißkohl in Fässern als Stückgut versandt.

Für die Westönner wird jedoch der Versandhandel , der , soweit es sich um Gegenstände oder Pakete handelte, die wegen ihrer Größe nicht per Post transportiert werden konnten, ausschließlich als Stückgut oder Expressgut abgewickelt wurde, von besonderer Bedeutung gewesen sein. Da der Versandhandel –Neckermann macht‘s möglich- in den Jahren nach der Währungsreform 1948 als Zeichen des Wirtschaftswunders einen gewaltigen Aufschwung hatte, fanden auch täglich zahlreiche Sendungen von den Versandhäusern den Weg über die Schiene nach Westönnen.

Auch der Umfang der Sendungen für Westönner Händler, Firmen und Handwerker nahm in den Nachkriegsjahren erheblich zu. Der Bahnhof Westönnen war somit ein wichtiger logistischer Baustein für den Aufbau und den Aufschwung nach dem Krieg.

Die Sendungen wurden nicht zugestellt. Sie wurden nach vorheriger Benachrichtigung über den Eingang der Sendungen abgeholt. Einen Rollfuhr-Spediteur für die Zustellung gab es in Westönnen nicht.

Besonders zu erwähnen ist, dass sich auch die Samenzuchtselle in Meckingsen der Schiene bediente. Behälter mit Samen wurden im Bahnhof Soest als Expressgut versandt und mit Personenzügen nach festen Fahrplänen befördert. Unmittelbar nach Eingang des Zuges wurden sie von dem Tierarzt abgeholt. Pünktlich und schneller ging es damals nicht.

Auch einige produzierende Firmen in Westönnen belieferten ihre Kunden über die Bahn. Ein regelmäßiger Stückgutversender war bis zum Schließung des Bahnhofs Westönnen die Firma Wiemhöfer. Sie brachte täglich Sendungen zum Versand. Daneben sind die Firma Prinz und Schulmöbelfabrik Hering zu nennen.

Im Vergleich war jedoch der Wareneingang über die Bahn weitaus stärker als der Warenversand.

 

Personenverkehr

Von den Westönnern viel wahrgenommen und auch stärker in Anspruch genommen als der Güterverkehr ist eindeutig der Personenverkehr. Die Personenbeförderung wurde bis heute ein Selbstverständlichkeit für alle Westönner. Aber auch hier haben sich im Laufe der Zeit in der Struktur, im Leistungsangebot und in der Nutzung erhebliche Veränderungen ergeben.

Aus den ersten Jahren des Personenverkehrs ist wenig bekannt. Nach dem Kursbuch des Jahres 1914 hielten in jeder Richtung 13 Züge pro Tag in Westönnen. Davon verkehrten je Richtung 2 Züge nur zwischen Soest und Werl.

Unna war Umsteigebahnhof für Verbindungen von und nach Dortmund sowie von und nach Hagen. Die Reisezeit von Westönnen nach Dortmund und Hagen betrug jeweils ca. eine Stunde und 20 Minuten. Die Fahrtzeiten betrugen nach Unna 31 Minuten, nach Werl 5 Minuten und nach Soest 16 Minuten.

Die Personenwagen hatten zum Teil Abteil mit 4 verschiedenen Klassen. Bis weit nach dem 2. Weltkries waren die meisten Wagen Abteilwagen. Ein Abteil umfasste 8 – 10 Sitzplätze. Eine wesentliche Aufgabe der Zugschaffner war es, neben der Kontrolle der Fahrkarten während der Zugfahrt darauf zu achten, dass die Türen i nach einem Halt in einem Bahnhof wieder schnell geschlossen wurden, damit der Zug pünktlich abfahren konnte. Nach Einfahrt des Zuges rief der Schaffner laut und vernehmlich für alle Reisenden „Westönnen“ und anschließend folgte der Ruf „Türen schließen“. Kamen die ein -oder aussteigenden Reisenden dieser Bitte nicht nach, musste der Schaffner am Zug entlang laufen und die Türen schließen. Der Zugführer, der sich im Packwagen aufhielt und neben der Aufsicht über den Zug zuständig für die Übergabe von Expressgut und Reisegepäcks war, gab, wenn der Schaffner als Zeichen der Abfahrbereitschaft den Arm hob, den Abfahrauftrag. Viele Schwerbehinderte konnten kaum die Bahn benutzen, da beim Ein- und Aussteigen 3 – 4 Stufen zu überwinden waren.

Das vorliegende Kursbuch des Jahres 1914 weist aus, welche Bahnhöfe in Deutschland in welcher Zeit erreichbar waren. Ein beeindruckendes Reiseangebot für alle Westönner . Auszüge aus Kursbüchern sind als Anlage beigefügt.

Neben den Reisenden zu Verwandten und Bekannten, Reisen aus beruflichen Gründen, Eintritt in den Wehrdienst sowie Reisenden in den Urlaub bzw. in die Ferien fuhren auch zahlreiche Berufspendler regelmäßig mit der Bahn zur Arbeit. Dazu kamen Schüler zu weiterführenden Schulen. Im Grund ist diese Situation bis heute geblieben. Geändert haben jedoch in erheblichen Umfang die Zielorte der Berufspendler und Schüler. Während bis weit nach dem 2. Weltkrieg in der Hauptsache Berufspendler und Schüler zwischen Westönnen und Werl sowie Soest verkehrten, lediglich zahlreiche Eisenbahner fuhren weiter als Unna , hat sich dies erheblich geändert. Der Anteil der Berufspendler ins Ruhrgebiet und über Soest hinaus hat erheblich zugenommen. Nicht zu auf Grund der erheblich kürzeren Fahrzeiten. Dies gilt auch für Schüler und Studenten.

Nach meinen persönlichen Erinnerungen fuhren 1959/1960 täglich gegen 7.00 Uhr 40 -50 Reisende einschließlich Berufspendler und Schüler mit dem Zug Richtung Werl , die meisten mit dem Ziel Werl. Richtung Soest waren es 30 – 40 Reisende. Zu den übrigen Tageszeiten wurden die Züge u.a. zur Erledigung v on Einkäufen und Behördengängen – vernehmlich in Werl und Soest stark genutzt. D.h. der Individualverkehr nach Werl und Soest, der heute überwiegend per Pkw durchgeführt wird, fand seinerzeit in starken Umfang per Bahn statt.

Durch die Weiterentwicklung der Bahn haben sich für viele Westönnen die Perspektiven für Arbeit und Ausbildung in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert.

 

Die Mitarbeiter der Bahn, sie sind letztlich Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger, auch für die Westönner, stellten in der Vergangenheit aber auch gleichzeitig eine staatlich gelenkte und zum Teil gewollte Autorität dar. Die genaue Kenntnis und Umsetzung der Vorschriften hatte Priorität, dann kam erst der Reisende als Kunde. Alle am Reiseprozess beteiligen Eisenbahner waren z.B. verpflichtet darauf f zu achten, dass der Reisende nur soviel Gepäck mit in den Zug nehmen durfte, wie er in einem Arbeitsgang tragen und unter und über seinem Sitzplatz verstauen konnte. Dies galt auch für lebende Tiere, für zum Teil ein Käfig vorgeschrieben war.

Der Reisende, der in Westönnen mit dem Zug fahren wollte, der einen Koffer und ein Paket in der Hand hatte, dazu einen Käfig mit einem Hahn ,einen Hund an der Leine und eine lebende Katze auf der Schulter und mich fragte, ob er so in den Zug einsteigen könne, überforderte mich in der Auslegung und der Anwendung der Vorschriften. Ich konnte ihn nur bitten, den Hund und die Katze nicht mit in den Zug nehmen.

Eine besondere Bedeutung wurde auch in den Jahren bis ca. 1960 der Fahrkartenkontrolle beigemessen. Nach jeder Einfahrt des Zuges in Westönnen wurden von den aussteigenden Reisenden am Ende des Bahnsteigs die Fahrkarten kontrolliert. Abgelaufene Fahrausweise wurden eingezogen. Begleitpersonen, die einen Reisenden zum Zug gebracht hatten, mussten eine Bahnsteigkarte vorzeigen, die 1960 0.20 DM kostete. Wer keine Bahnsteigkarte hatte, musste mit einer erheblichen Geldbuße rechnen. In der Regel wurde aber eine Bahnsteigkarte nachgelöst. Damit waren alle zufrieden.

Die Fahrkartenausgabe in Westönnen war täglich von 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet. Für die Westönner war damit ein großer Service verbunden. Fahrplanauskünfte für Reisen innerhalb Deutschlands und zum Teil auch in andere europäische Länder konnten in den Abendstunden eingeholt werden. Davon wurde reger Gebrauch gemacht. Auch telefonische Auskünfte waren jederzeit möglich.

Ein besonderer Service wurde den Eisenbahner, den Eisenbahnpensionären sowie den Witwen zuteil. Westönnen war eine Zahlstelle für Gehälter, Pensionen und Renten. Außerdem wurde Pensionären und Witwen eine Betreuung in sozialen Angelegenheiten zuteil.

Die Eisenbahner

In den Jahren um 1960 gab es in Westönnen einschließlich Umfeld ca 150 Eisenbahner, Pensionäre bzw. Witwen. Daraus ist zu entnehmen, dass die Bahn als Arbeitgeber für Westönnen eine große Rolle gespielt hat. Viele der Eisenbahner waren auch auf der Umladestelle für Stückgut in Holzwickede und bei Soester Dienststellen beschäftigt.

Die Mitarbeiter des Bahnhofs Westönnen waren auch für alle ergänzenden Arbeiten –insbesondere für Service-Leistungen wie Hilfestellung beim Ein- und Aussteigen sowie Informationen über Abweichungen von den Fahrplänen den – zuständig. Die Säuberung der Bahnsteige, Wartehäuschen und Warteräume wurde ebenfalls von Bahnhofsmitarbeitern übernommen. Selbstverständlich war, dass auf saubere und jederzeit lesbare Aushänge und Hinweistafeln geachtet wurde.

Der Warteraum im Bahnhof Westönnen war mit Tischen und Bänken ausgestattet und beheizt.

Auch die Signalanlagen und Weichen wurden von den Mitarbeitern des Bahnhofs gepflegt und soweit erforderlich mit Lampen ausgerüstet.

Wandel der Zeit

Vieles ist mit dem heutigen Zustand nicht mehr vergleichbar. Der persönliche Kontakt ist nicht mehr vorhanden, wäre auch nicht mehr bezahlbar. Fahrkarten werden aus Automaten gezogen. Fahrplanauskünfte sind per Internet möglich. Für die Generation der heutigen Reisenden ist dies kein Problem. Dennoch bleibt einiges, was durch die Eisenbahner vor Ort aufgefangen wurde, auf der Strecke. Die Informationen über Fahrplanabweichungen über Lautsprecher von ferngelegenen Stellen treffen oft nicht das Informationsbedürfnis der Reisenden und Wartenden auf den Bahnsteigen. Die Warte- und Unterstellmöglichkeiten sind unpersönlich und kalt. Beschädigte Aushänge können nicht sofort erneuert werden. Dem Zustand der Grünflächen und den zum Teil unsauberen Anlagen im Umfeld des Bahnhofs merkt man an, dass die persönliche Verantwortung und Initiative vor Ort fehlt. Sie ist einfach nicht mehr bezahlbar. Wer achtet noch darauf? Die Züge sind besser, sauberer und schneller geworden. Das Eins- und Aussteigen ist leichter geworden. Es sind keine Stufen mehr zu überwinden. Eine Verbesserung für Schwerbehinderte, Kinderwagen und Radfahrer. Schwerbehinderte können die Bahnsteige höhengleich erreichen. Viele Verbesserungen im Zugverkehr , die man mittlerweile als selbstverständlich hinnimmt.

Die alte ehrwürdige Dampflokomotive verdreckt nicht mehr die Luft. Das Wohnen in Bahnhofsnähe wurde sauberer und damit angenehmer.

Bis 1964 wurden 60 Jahre Güter von und nach Westönnen über die Bahn befördert. Dann war Ende der Gütertransporte zwangsläufig vorgegeben. Im Ladungsverkehr war Potential für Ladungen über die Schiene in Eingang und auch im Ausgang nicht mehr vorhanden. Landwirtschaftliche Produkte wurden nicht mehr über die Schiene versandt. Düngemitteltransporte – nunmehr verstärkt aus dem Ausland – fanden andere Verkehrswege, z.B. Schiff mit einem Nachlauf per Lkw. Durch die Umstellung von Kohle auf Öl entfielen die Kohletransporte nach Westönnen.Die verbleibenden Einzeltransporte konnte die Bahn wirtschaftlich nicht durchführen. Dies galt auch für Stückgut und Expressgut. Andere Stückgutdienstleister, die die Transporte per LKW abwickelten, waren inzwischen entstanden. Westönnen brauchte für den Güterverkehr die Bahn nicht mehr. Dennoch bleibt festzuhalten, das die Bahn über 60 Jahre den Westönnern durch den Gütertransporte viele Vorteile gebracht hat und einiges hätte sich mit Sicherheit anderes entwickelt, wenn es den Güterverkehr über die Bahn nicht gegeben hätte.

Eine andere Situation ergibt im Personenverkehr. . 110 Jahre steigen Reisende aus Zügen in Westönnen ein und aus. Die Bahn hat von Beginn an für viele Westönnen, die auf Reisen bzw. Fahrten zu den Arbeitsstellen, Schulen und Ausbildungsstellen angewiesen waren viele Vorteile gebracht. Westönnen wurde dadurch lebenswerter. Wie sieht die Zukunft aus? Änderungen im Angebot der Bahn wie auch in den Anforderungen an die Bahn wird es immer wieder geben. Aber Westönnen ohne Bahn ist nicht mehr denkbar. Hoffentlich ist vielen Westönnern, die auf Transportleistungen angewiesen sind, auch bewusst. Eine Daseinsfürsorge des Staates, das heißt, ausschließlich mit staatlichen Subventionen den Schienenverkehr aufrecht zu erhalten, ist nicht mehr gegeben. Im Zeitalter der Kosten und wirtschaftlichen Betrachtungen zählt nicht der schöne Zug, sondern die Anzahl der Reisenden, die das Leistungsangebot der Bahn durch ihre Nutzung erst ermöglichen.

Durch die günstige Lage können auch viele Bürgerinnen und Bürger aus dem Umfeld den Bahnhof in Westönnen benutzen. Voraussetzung jedoch Möglichkeiten für das Parken der Pkw. Wer ist hier gefordert ? Dazu ist mir bei der Analyse für diese Ausarbeitung folgendes aufgefallen:

Die Gemeinde Westönnen für die Errichtung des Bahnhofs im Jahre 1900 Flächen zur Verfügung gestellt und noch erhebliche Summe an die Bahn gezahlt. Über einen Teil dieser Fläche wurde der Güterverkehr abgewickelt (Ladestraße). Im Personenverkehr gab es seinerzeit noch nicht die Kombination Pkw/Zug. Nun hat sich die Situation geändert. Für den Güterverkehr werden die Flächen nicht mehr benötigt. Für den Personenverkehr sind dagegen Flächen für die zum Bahnhof fahren Pkw erforderlich (Park- and- Ride Plätze). Wäre es nicht Aufgabe der Bahn gewesen, dieser neuen Situation Rechnung zu tragen und von sich aus Nutzungsänderung der Flächen einzuleiten Die Fläche der Ladestraße wird inzwischen von einer Westönner Firma genutzt. Das ist gut so. Dennoch sind genügend Flächen vorhanden. Die eine Umsetzung der genannten Idee durch die Bahn ermöglichen. Es kann nicht in Ordnung sein , dass bei Betrachtung der Gesamtentwicklung nun wieder Kommune eingreifen und Park- and- Ride Plätze finanzieren soll .

Auf jeden Fall muss das Problem gelöst werden, wenn die Bahn Leistungsgerecht auf die Zukunft ausgerichtet sein soll.

Die Bahnübergänge

Besonders zu erwähnen sind auch die Bahnübergänge in Westönnen. Durch die Bahn gab es ab 1855 erheblich Veränderung in der Verkehrsführung. Bergstraße und Haus Lohe waren nur noch über Bahnübergänge zu erreichen. In den Anfängen der Bahn gab es somit in Westönnen 2 Bahnübergänge, an der Breiten Straße (dieser Übergang ist heute noch vorhanden) und an dem Weg von Haus Lohe nach Westönnen im Bereich der heuten Genossenschaft. Dieser Übergang ist später in Zusammenhang mit dem Bau des Bahnhofs Richtung Osten verlegt worden, wo er heute noch vorhanden ist (Bahnübergang am Bahnhof). Die Sicherung der Bahnübergänge hat sich im Laufe der Jahre erheblich geändert. Im Anfang erfolgte die Sicherung durch Bänder, die von Bahnwärtern vor einer Zugfahrt angebracht wurden. Später wurden Schranken errichtet, die von Bahnwärtern bedient wurden. Für die Bahnwärter wurden unmittelbar am Bahnübergang kleine Bahnwärterhäuschen errichtet. Die Bahnwärter hatten neben der Schließung und Öffnung der Schranken die Aufgabe, den Straßenverkehr und bei der Durchfahrt die Züge zu beobachten. Unregelmäßigkeiten, die die Sicherheit des Bahnverkehrs zu beeinträchtigen drohten, mussten sofort den Leitstellen i n Werl oder Soest gemeldet werden. Die Bahnwärter und alle Stellwerke der Strecke Unna –Soest waren per Standleitung miteinander verbunden. Über diese Leitung wurden alle Zugfahrten gemeldet und alle Beobachtungen des Bahnverkehrs mitgeteilt.

Da man einen ständigen Telefonkontakt hatte, war es durch aus verständlich, dass sonstige Informationen und Neuigkeiten ausgetauscht wurden. Die Bahnwärter waren somit ständig über alles informiert. Zudem wurden ihnen von den Benutzern der Bahnübergänge (Fußgänger, Radfahrer, Pferdefuhrwerke, sonstige Fahrzeuge) viele Neuigkeiten mitgeteilt. So wurden sie zum Kommunikationszentrum in Westönnen, dies galt insbesondere für den Bahnübergang nach Bergstraße an der Breiten Straße. Die Bahnwärter Josef Jolk, Franz Leifet, Bernhard Kaiser, um einige zu nennen, waren damit für viele Westönne Persönlichkeiten, die alles wussten und auf infolge Ihres Informationsvorsprunges auch vieles beurteilen konnten. Man hielt sich gern bei ihnen auf, um das Neue zu erfahren und um ihre Meinung zu hören.

Auch diese Zeiten sind vorbei. Die Technik bescherte uns bald Schranken, deren Schließung und Öffnung durch den Zug ausgelöst wurden. Diese sind heute noch vorhanden. Bahnwärter sind nicht mehr gefragt.

 

Schlussbemerkung

Die Eisenbahn hat seit 1855 in Westönnen große Veränderungen bezogen auf Strukturen und Verkehrswege und für die Menschen herbeigeführt.

Westönnen hat sich seit 1855 durch die Bahn verändert, aber auch entwickelt.

Alternativ und ergänzend zur Landwirtschaft und zum Handwerk, welches stark auf die Landwirtschaft ausgerichtet war, brachte die Bahn neue und interessante Arbeitsplätze. Westönnen konnte sich durch die Bahn bis heute positiv entwickeln. Firmen suchten die Nähe zur Bahn.

Viele Westönnen siedelten wegen der Bahn in Westönnenan. Den Güterverkehr gibt es nicht mehr, aber im Personenverkehr bringt die Bahnanbindung für Westönnen viele Vorteile. Dies muss auch so bleiben.

Fortsetzung folgt. Wann?

Quellen:

Jahrbuch Westfalen 2006

Bergisch-Märkische Eisenbahn (1843 – 1881) (Menninghaus, Krause, von Kampen)

Heimatkalender Kreis Soest 1967

Reichsgüterkursbuch 1938/39

Werl-gestern-heute-morgen – 1985

Zug der Zeit – Deutsche Eisenbahn Band 1 und 2 1835 – 1985

Die Königlich Westfälische Eisenbahn (Menninghaus/Krause)

Protokolle Gemeinderatssitzungen Westönnen 1843 – 1865

Eisenbahnknotenpunkt Ruhrgebiet (Rolf Ostendorf)

Unser Bahnhof – 150 Jahre Hellweg-Eisenbahn – Eisenbahn – Schriftenreihe der Stadt Unna Band 12 – Otto Kilger

Reichskursbuch 1914

Die Eisenbahn in Dortmund (Swoboda, Tempel, van Kampen, Hake)

Aufzeichnungen Trockel, Unterlagen Archiv Stadt Soest

Soeseter Kreisblatt 1^853, 1855, 1856